NOBODY EXPECTS THE SPANISH INQUISITION - Warum das Spannende am Anfang beginnt und doch selten richtig ankommt

Es ist ein mehr als trauriger Zufall, dass sich die Schlagzeile unseres aktuellen Blog-Artikels auf das Werk eines Mannes bezieht, der dieser Tage verstorben ist. Terry Jones, Mitbegründer, Autor, Schauspieler und Spielfilmregisseur der Gruppe Monty Python hat dem Vernehmen nach den Satz „Nobody expects the Spanish Inquisition“ für den gleichnamigen Sketch der Fernseh-Sendung Monty Pythons Flying Circus geschrieben - und hat uns in mehrerlei Hinsicht eine steile Vorlage geliefert hat. Im Jänner ist er im Alter von 77 Jahren an den Folgen einer Demenzerkrankung gestorben.

 

Nudge, nudge

 

Kaum etwas scheint weiter voneinander entfernt zu liegen, als die klassischen Regeln der Eventdramaturgie und das Werk von Monty Python. Geht es bei ersterem vor allem darum möglichst stimmig und reibungslos vom Anfang bis zum Ende zu gelangen, sind Szenen bei den Pythons geprägt von narrativen Brüchen, irritierenden Einfällen und bizarren Wendungen. Es ist auch nur folgerichtig, dass sich Events in der Regel nicht an Konzepten wie dem Flying Circus orientieren, geht es doch vor allem darum, Besucherinnen und Besucher von etwas zu überzeugen und dabei gilt der ehrwürdige Grundsatz, sein Publikum tunlichst nicht zu verärgern oder gar zu verstören. So weit, so logisch, so klassisch.

 

Hätte sich da nicht die an sich begrüßenswerte Tendenz im Eventmarketing entwickelt mit den handelsüblichen Formaten zu experimentieren und Stilelemente einzusetzen, welche die altbekannten Eventdramaturgien aufbrechen. Von daher scheint es gar nicht so abwegig im Werk von Monty Python - trotz aller offenkundigen Unterschiede - die eine oder andere Verwandtschaft zu Marketing-Tools und Eventdramaturgien zu vermuten, wenn diese sich edgy geben möchten. Ob Guerilla-Marketing oder Disruption, Mind Game-Movies oder Storytelling mit dem berühmten Twist, der alles bisher erzählte in einem vollkommen neuen Licht erscheinen lässt: es ist mittlerweile en vogue sein Publikum herauszufordern. Vor allem das Spiel mit unterschiedlichen Bedeutungsebenen in einer Story, bei der am Schluss herauskommt, dass alles eigentlich ganz anders ist, kann spannende Erlebnisse erzeugen und ein Publikum wirklich fesseln. Dabei kommt dieser einer vollkommen unerwarteten Wendung natürlich große Bedeutung zu, soll diese doch dafür sorgen, dass die Story als etwas ganz Besonderes erlebt wird. Genau hier liegt aber oft das Problem.

 

 

The right leg isn’t silly at all

 

Je origineller der Twist, desto höher der Unterhaltungswert; je abwegiger die Wendung, desto größer der Impact beim Publikum - man kann den Eindruck gewinnen, dass sich manche, die sich modern und edgy geben wollen, vor allem auf diese Gleichung verlassen und viel gestalterisches Augenmerk auf den Moment legen in dem sie dem Publikum mitteilen: du liegst falsch mit allem was du bisher geglaubt hast. Selbst wenn man bereit ist, seine Zuschauerinnen und Zuschauer zu fordern (und auch herauszufordern) - etwas was man nach unserer Ansicht immer wollen sollte - ist es ein äußerst schmaler Grad zwischen überraschen und für dumm verkaufen. Ein Bruch in der Story ist kein Selbstzweck - je kunstvoller, unerwarteter und spektakulärer eine Wendung zum Ereignis in einem Erlebnis stilisiert wird, desto mehr stellt diese auch den eigentlichen Inhalt des erzählten in den Schatten. Man weist das Publikum eher darauf hin wie originell man selbst ist, anstatt von der Story zu überzeugen - mein Haus, mein Auto, mein Twist.

 

Ein Erlebnis ist dann spannend, wenn es einem eine Welt eröffnet, die man so noch nicht kennt und es liegt in der Natur der Sache, dass man dazu sein Publikum auch überraschen darf und mit etwas noch Unbekannten konfrontieren kann und soll. Dazu muss man sein Publikum jederzeit im Boot haben, damit sie einem auch in unbekannte Gewässer folgen. Das bedeutet vor allem, dass jeder Twist nur so gut ist wie seine Vorgeschichte - eine bizarre Wendung funktioniert dann, wenn sie trotz aller Irritation auf die eine oder andere Art und Weise in der erzählten Welt plausibel ist. Deshalb ist das Herausfordernste daran nicht das Erfinden von spektakulären Twists, sondern das kontinuierliche Verankern der narrativen Logik, die hinter dem Twist steht - und das ab dem ersten Moment von Story und Erlebnis. Man kann von Monty Python zweifellos lernen, wie man disruptiv erzählt. Wer dabei aber zudem darauf achtet, wie man das ganze trotzdem in eine wenngleich bizarre, aber von Anfang an stimmige Welt einbettet, der wird für seine Erlebnisse noch wesentlich größeren Wert aus dem Werk der Briten gewinnen können. Weil nur wer schon zu Beginn das Boot seiner Story ausreichend dimensioniert, der wird auch seinem Publikum auf der ganzen Reise einen geistigen Ort bieten können, auf dem es bereit ist, jede noch so unerwartete Turbulenz mitzumachen.


QUELLEN:

Jaws ("Der Weiße Hai") bietet keine unerwartete Wendung - ganz im Gegenteil: der Film ist ein Paradebeispiel für lineares Erzählen. Nichts desto Trotz schafft er es ein komplett unplausibles Szenario (Ein Fisch versetzt eine ganze Stadt in Angst und Schrecken) als die glaubwürdigste Sache der Welt darzustellen und ist so ein Lehrstück über die Kraft narrativer Architekturen. Dafür wie auch für die Mission der von Roy Scheider dargestellten Figur gilt gleichermaßen: je besser man den Ausgangspunkt bedenkt und dimensioniert, desto besser wird man - und es - ankommen.


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